Öffentliche Backhäuser waren lange Zeit ein wichtiger Bestandteil kleiner Ortschaften. Hier konnte die Dorfgemeinschaft selbst backen, dörren und mit der Restwärme Holz trocknen. Mit der aufkommenden Industrialisierung sowie der Entwicklung des Bäckerhandwerks verschwanden solche Backhäuser und somit wichtige Punkte des dörflichen Zusammenlebens – leider.

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Ich finde es ist an der Zeit, solch einen Gemeinschaftsbackplatz wieder zu etablieren! Deshalb las ich das „Handbuch Brotbackofen selber bauen“ von Bernhard Gruber. Mir wurde klar, dass so ein Projekt nur unter fachkundiger Anleitung und tatkräftiger Unterstützung erfolg haben kann. Also schrieb ich Bernhard kurzerhand an und organisierte für die Bürgerstiftung Ostfalen den Workshop „Brotbackofen aus Lehm bauen“.
Und so begann der Stress…
Die Vorarbeiten für unseren Lehmbackofen – Fundament & Sockel
Damit wir den Lehmbackofen bauen konnten, brauchten wir in unserem Naturerlebnisgarten zuerst ein Fundament und einen Sockel. Diese Basis wird den Ofen später tragen.
Es gibt viele einfache Möglichkeiten, einen solchen Sockel zu gestalten. Unsere Stiftung wünschte sich jedoch ein repräsentatives Objekt mit großer Anziehungswirkung. Alles klar! Ein paar Ausschreibungen und viele Absagen später konnten wir die Firmen „Bagger Bartz“ und „Harut Dienstleistungen“ dafür gewinnen, das Projekt nach (ungefähren) Vorgaben der durch uns konsultierten Bauingenieure anzugehen.
Harut selbst hat sich hier unendlich ins Zeug gelegt, um einen knappen Zeitplan einzuhalten. Denn nach Ausschreibung mit angemessener Vergabefrist, Dauerregen und erschwerten Arbeitsbedingungen durch die unzugängliche Baustelle rückte der Workshoptermin immer näher. Innerhalb von drei Wochen musste alles stehen!


Endlich bauen wir den Lehmbackofen!
Nachdem sich zehn Teilnehmer zum Workshop angemeldet hatten, konnten wir am 2. und 3. September 2023 das Projekt „Brotbackofen aus Lehm selber bauen“ starten. Bernhard kam aus Österreich angereist und wir trafen uns am Samstagmorgen, um mit einem Theorieteil zu beginnen.
Praktisch fingen wir am ersten Tag damit an, die Dämmschicht des Lehmbackofens auf dem Sockel zu errichten. Hierfür reihten wir reguläre Ziegelsteine („Kanalklinker“) aneinander, füllten den daraus resultierenden Hohlraum mit Bausand aus und betteten leere Glasflaschen als zusätzliche Dämmschicht ein.
Dazu nutzten wir den noch auf der Baustelle liegenden Ziegelbruch, um die Dämmschicht zu stabilisieren.
Auf die so geschaffene Basis kam eine weitere Lage Klinkersteine, die für den folgenden Aufbau eine stabilen Boden bildet. Eine Schicht Lehmmörtel klebte all das ordentlich zusammen.




Da haben wir schon ordentlich Material verbaut, oder? Aber wir waren lange noch nicht fertig! Um später eine vernünftige Backfläche ohne Abrieb oder Verunreinigungen nutzen zu können, kamen große, lebensmittelechte Schamotte-Bäckerplatten (400mm x 300mm x 50mm) auf den Untergrund. Diese sollen die Hitze des Ofens speichern und sind zeitgleich Abriebresistent. Hier gäbe es durchaus günstigere Varianten, der Rat von Bernhard jedoch lautet, nun nicht am falschen Ende zu sparen.


Tag 2 unseres Lehmbackofen-Workshops
Am zweiten Tag machten wir uns an, das Projekt zu finalisieren. Auf der Dämmschicht formen wir nach Bernhards Berechnungen zur Dimensionierung des Ofens eine Kuppel aus festem Sand. Sie dient als verlorene Form und Stütze der eigentlichen Ofenkuppel aus Lehm. In die Kuppe arbeiteten wir auch eine Ofentür ein, die später die Hitze im Backraum halten soll.

Den Lehm für den Backofenbau vorbereiten
Da wir im Erlebnisgarten Söllingen hervorragenden Humusboden haben (der leider nicht zum Bau eines Lehmbackofens geeignet ist), mussten wir unseren Lehm anderweitig organisieren. Wir bekamen schon vor Projektstart recycelten Lehm aus einem alten Fachwerkhaus, den wir von Unreinheiten und zu viel Stroh säuberten und mit Lehmputzt aus dem Baumarkt streckten.
Dabei handelte es sich um eine kostspieligste Variante und mit etwas mehr Zeit hätte ich mich nach einer geeigneten Lehmgrube umgesehen (Tiefbauer und Baggerfahrer können hier wertvolle Hinweise geben), um Geld zu sparen.
Die fertige Mischung wies jedoch ein sehr gutes Mischverhältnis aus Lehm, Sand und Stroh auf und ließ sich großartig verarbeiten.
Insgesamt brauchten wir rund fünf Säcke recycelten Lehms sowie 15 Säcke Lehmputz – hier sowohl Unterputz mit Stroh als auch Feinputz.

Die fertige Lehmmischung bildete nun die Grundlage für unsere ungebrannten Lehmziegel („Grünlinge“). Diese sollten etwa 8cm dick sein, damit wir mit ihnen eine tragende und ausreichend stabile Kuppel konstruieren konnten.






Im Akkord formten wir Grünlinge und stapelten diese an der mit Zeitungspapier umwickelte Kuppelform. Dabei müssen die Grünlinge eine schöne Plastizität aufweisen, damit sie stabil und gut zusammendrückbar sind. Sie dürfen nicht reißen, der Lehm muss „in sich“ kleben. Nur dann sind sie für den Ofenbau geeignet.
Lehmbackofen-Bau als soziales Event
Im Laufe des Nachmittags kamen immer wieder Besucher auf unsere Baustelle und wunderten sich über das emsige Treiben. Einige versuchten sich sogar selbst an einem Grünling und viele Kinder spielten im körnigen Bausand, der natürlich in angemessener Entfernung zur Baustelle lagerte.
Etwa 450 Grünlinge später stand die Kuppel und wir konnten endlich den finalen Lehmklumpen einsetzen!

Die Kuppel des Lehmbackofens steht, und nun?
Zum Abschluss bekam unser Lehmbackofen noch eine dicke Dämmschicht. Wir bereiteten eine weitere Lehmmischung mit erhöhtem Strohanteil vor, die wir durch reibenden Handbewegungen auf die gestapelten Grünlinge auftrugen. Mit feuchten Händen zogen wir dann die Isolierschicht glatt und gleichten – soweit möglich – Unebenheiten in unserem Meisterwerk aus.
Und endlich, nach gut 18 Stunden Arbeit stand unser „Herbert“!
Jetzt muss er noch ein bisschen antrocknen, damit wir den Bausand aus seinem Bauch holen können. Der wird nicht weggeschmissen. Er ist wichtiger Bestandteil unseres Gartens und wird in Zukunft als Sandarium dienen!
In 5-6 Wochen können wir Herbert dann zum ersten Mal anfeuern. Darauf freuen wir uns riesig!
Was kostet ein Brotbackofen aus Lehm?
Fallt jetzt nicht vom Stuhl wenn ihr erfahrt, was uns dieses Projekt gekostet hat. Eigentlich will ich hier auch gar nicht darüber reden, denn wir haben und tatsächlich die absolute Luxusvariante gegönnt und der hieraus resultierende Endpreis dürfte jeden davor abschrecken, selbst so ein Projekt anzugehen.
Wie kann ich bei meinem Lehmbackofen sparen?
Das Gute zuerst: einen etwas kleineren Lehmbackofen könnt ihr recht preisgünstig errichten. Statt des Vollfundaments und eines Sockels aus Klinker-Schichtmauerwerk könnt ihr beispielsweise ein Punktfundament anlegen und mit ein bisschen Know-How größere Steine vermörteln. Das spart viel Zeit. Lediglich frostsicher und tragfähig müssen sie sein.
Möglich wären auch Schachtringe als Sockel. Zwei ausreichend dimensionierte Ringe kosten circa 130,- Euro. Wem das Betongrau nicht gefällt, der kann diese mit Zierelementen versehen. Einen passenden Deckel als Sockeltisch gibts auch gleich im Baustoffhandel.
Selbst die Tür muss nicht sein, da tuts ein dickes Holzbrett (das ist sogar traditioneller) oder ihr lasst das Mundloch gleich offen.
Lehm muss niemand im Sack kaufen, ihr könnt diesen mit entsprechenden Kontakten kostenlos aus dem Boden holen. Wer Geld ausgeben muss, ist mit einem BigBag (eine Tonne) Baulehm gut beraten. Wichtig ist nur, dass ihr den transportiert kriegt! Falls ihr ihn anliefern lassen müsst, zahlt ihr für den Transport mehr als für den eigentlichen Lehm.
Aufgrund der schwer zugänglichen Baustelle mussten wir leider Lehm als Sackware hinzukaufen. Neben dem recycelten Baumaterial verbauten wir 15 Sack Lehmputz für rund 420,- Euro.
Bausand bekommt ihr von Werk aus sehr günstig, Sackware ist hingegen wahnsinnig überteuert. Wer ein bisschen sucht, findet Bausand kostenlos zum Abholen auf einschlägigen Online-Portalen. Uns lieferte Firma Bagger Bartz eine eine schöne Fuhre.
Wo sollte ich bei meinem Lehmbackofen NICHT sparen?
Was ihr jedoch garantiert einplanen müsst sind die Kosten für etwa 150 Kanalklinker (derzeit 1,60 Euro / Stück) oder gerne gebrauchte Mauersteine (etwa 0,80 Euro / Stück auf einschlägigen Plattformen). Die Schamotte schlägt mit 31,- Euro / Stück ins Budget. Wir nutzen sieben Stück, ein kleinerer Ofen käme sicher auch mit fünf Platten aus. Das ist wichtig für eine stabile und robuste Backfläche. Ihr wollt ja später keinen Lehm, Steine oder mögliche Giftstoffe in eurem Brot haben.

Was mache ich, wenn ich auch einen Lehmbackofen bauen will?
Wenn Du selbst einen Lehmbackofen bauen willst, dann schau bald wieder in unseren Blog rein oder abonniere am besten gleich unseren Newsletter. Denn wir planen gerade für unsere Workshopgruppe weitere Lehmöfen und werden die Planungsunterlagen sowie Materiallisten hier veröffentlichen!